Reiseberichte aus dem Sanella-Album Mittel- und Südamerika

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Der erste Walfisch

Buenos dias, lieber Jupp! Das letzte Mal habe ich Dir aus Bahia Bianca geschrieben, und jetzt bin ich schon auf See. Fernandez und ich, wir haben uns auf der "Santiago" eingeschifft, einem chilenischen Dampfer, und nun gondeln wir langsam Richtung Südspitze von Amerika. Feine Sache ist das! Die See ist ganz ruhig und die Luft frisch und kühl. Stell Dir vor, es ist noch nicht lange her, da waren wir mitten in der argentinischen Pampa. Wenn ich an die Hitze und den Staub denke, muß ich mir jetzt noch die Jacke aufknöpfen. Dagegen wird es hier unten immer kühler. Hier gibt's keinen warmen Golfstrom, und wenn wir immer weiter südwärts fahren würden, kämen wir an den Falklandinseln vorbei in die Antarktis. Die Falklandinseln, rauhes, menschenleeres Weideland, sind in britischem Besitz und haben in Kriegszeiten als Stützpunkt besondere Bedeutung. Vorgestern habe ich auch zum erstenmal Delphine gesehen. Das sind Säugetiere wie die Wale. Ganze Scharen umspielten unser Schiff. Drollige Kerle! Die reinen Clowns! Sie machen die komischsten Sprünge über Wasser, als wüßten sie nicht wohin mit ihrer guten Laune. Ein bis zwei Meter lang sind sie, der Rücken grünbraunschwarz, der Bauch gelb oder weißlich. Sie haben unsern Dampfer förmlich umzingelt und schießen wie Torpedos durchs Wasser. Am nächsten Tag kam aber noch etwas Besseres.

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Wir hatten eine steife, südliche Brise. Ich schaue aufs Meer hinaus und sehe auf einmal. .. Jupp, nun rat mal! Ich sehe plötzlich einen mehrere Meter hohen Wasserstrahl, der vom Wind zerstäubt wird. Komisch! Ich renne unter Deck und hol' mein Fernglas. Da, wieder ein Wasserstrahl, gar nicht weit entfernt, und dann etwas Langes, Dunkles dicht an der Oberfläche, eine ganze Weile sichtbar. Ich hatte meinen ersten Walfisch gesehen.

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Kap des Kummers und der Stürme

Zwei Tage später. Wir fahren eben in die berühmte Magellanstraße ein. Ja, mein lieber Jupp, damit bin ich so ungefähr an der Südspitze des amerikanischen Kontinents angelangt. Ungefähr nur; denn die südlichste Spitze ist Kap Horn. Unser Käptn heißt auch Hoorn und ist sehr stolz auf die Namensgleichheit. Er ist Holländer, kann aber auch ganz gut Deutsch. Wir sind dicke Freunde, Käptn Hoorn und ich. "Morning, Pünneberg, come on, old chap!" Und dann nimmt er mich mit auf die Brücke. Käptn Hoorn hat mir von Kap Horn erzählt. Er hat es mehrmals mit einem Segler umfahren. Jupp, nimm jetzt am besten erst einmal Deinen Atlas zur Hand! Sieh Dir an, wie sich Amerika an seiner südlichen Spitze in viele Inseln auflöst.

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